Wie Machtkämpfe die Partnerschaft gefährden können
Worum geht es beim Machtkampf in der Beziehung? Ein Kampf um die Existenz?
⇾ Erniedrigung und Demütigung des anderen, um selbst zu triumphieren?
Beim Machtkampf geht es nicht mehr um das „WIR“
Wie schnell kann ein Machtkampf die Liebe ruinieren und zur Trennung führen?
⇾ Möglich durch Angriffe auf die Persönlichkeit und die Entwürdigung des Partners.
Eine Partnerschaft verlangt beiderseitige Liebe und Hingabe.
Bei einem Machtkampf stellt sich nicht mehr die Frage, wie es uns beiden gut gehen kann! Stattdessen geht es nur darum, wie es mir gut gehen kann.
Die Partner sind in ihrer Beziehung in gewisser Weise voneinander abhängig – sehr intim und persönlich – was oft mit Schutzlosigkeit und der Angst vor Verletzung einhergeht.
Die Persönlichkeit und die Beziehungsmuster der Partner sind entscheidend für die Qualität einer Liebesbeziehung.
Ganz lieben Dank an meinen Klienten für das Teilen seiner Geschichte.
Die Erfahrungen, die mir gestern aus einem intensiven Konflikt zugeschickt wurden, haben mich inspiriert, diesen Artikel zu verfassen.
Der Artikel erscheint in leicht abgeänderter Form, um die wertvollen Erkenntnisse aus dieser Geschichte zu integrieren.
Wie es doch manchmal ist!
Bis vor ein paar Tagen war ich mir ziemlich sicher, wie ich mit Konflikten in meiner Beziehung umgehen würde.
Ich bin gut gebildet, reflektiert (mit Therapieerfahrung im Hintergrund) und beschäftige mich seit Jahren hobbymäßig mit psychologischen Themen, insbesondere mit Konflikten in Beziehungen. Ich bin zwar kein Profi, aber ein Laie, der weiß, wovon er spricht. So dachte ich zumindest.
Ich hatte schon viel gelernt:
- Keine bösen Worte, keine Anklagen,
- Keine verräterische Mimik, die Abneigung zeigt.
- Immer in der Ich-Form Wünsche äußern, keine Vorwürfe.
- Den anderen ausreden lassen, empathisch und geduldig zuhören und dann verständnisvoll darauf eingehen.
Ja, ja, dachte ich mir, das klingt alles schön und gut. Aber funktioniert das auch in schwierigen Lebenssituationen und unter Stress?
Kann ich mein Gelerntes tatsächlich in die Praxis umsetzen?
Ich bin doch ein beherrschter und logisch denkender Mann, der sich und seine Gefühle unter Kontrolle hat.
Sind wir wirklich immer in der Lage, alles mit dem Kopf zu steuern und unsere negativen Emotionen zu beherrschen?
Auch ich wurde eines Besseren belehrt.
Ich kam schlecht gelaunt von der Arbeit nach Hause, hatte Frust und fühlte mich ohnmächtig. Und dann – ein vermeintlich falsches Wort von ihr. Der Knopf war gedrückt, und bei mir begann die wilde Fahrt der Gefühle. Meine Partnerin schaffte es, mich auf die Palme zu bringen. Was für eine Verantwortungslosigkeit! Was für eine Schuldzuweisung!
Meine Partnerin, die von meiner schlechten Laune nichts wusste, war überrascht und zu Recht sauer, wegen so einer Kleinigkeit angemeckert zu werden. So kam es zum Streit, der alles andere als friedlich verlief und bei dem angemessene Umgangsformen verloren gingen. Es fielen böse Worte, die Mimik verdüsterte sich, und es kamen gegenseitige Vorwürfe.
„No Gos“
So waren wir dabei, unsere Liebesbeziehung zu ruinieren:
- „Das machst du immer!“,
- „Du bist wie deine Mutter / dein Vater!“,
- „Mehr als du selber kannst, verlangst du von anderen!“
Schon waren wir mitten in einem Machtkampf!
Manche unserer inneren Team-Mitglieder zofften sich miteinander.
Nach einigem Hin- und Her, mit vielen nicht zitierfähigen Worten und Repliken, standen wir schließlich sprachlos da, schauten uns nicht mehr in die Augen und gingen Verärgert auseinander – ohne Entschuldigung, geschweige denn EINER Lösung des Konfliktes.
Und meine Antwort mag einige überraschen. Es war auch gut so – es musste nicht sofort eine Lösung gefunden werden.
Für mich war es ein Ventil. Vielleicht war es sogar gut für die innere Angespanntheit, einmal Dampf abgelassen zu haben, bevor der Deckel explodiert. Verhindert Magengeschwüre und Herzinfarkte, dachte ich zumindest. Und ich redete mir ein, dass es bei ihr wahrscheinlich genauso war. Trotzdem wussten wir beide nicht, wie es weitergehen sollte.
So konnte es nicht stehen bleiben. Längere Sprachlosigkeit würde die Wunde nur weiter eitern und die Situation eher verschlimmern. Also wollte ich schnell wieder Kontakt zu ihr aufnehmen. Aber der Stolz war zu groß, um den ersten Schritt zu machen: „Ich habe natürlich recht. Sie trägt die Schuld, den Konflikt eskalieren zu lassen. Sie soll den ersten Schritt machen und sich entschuldigen.“
Ich war im wahrsten Sinne des Wortes außer mir und musste mich erst einmal beruhigen und wieder zu mir selbst finden.
Ich nahm mir also ungefragt eine Bedenkzeit, eine Abkühlungsphase.
„Eine kurze Auszeit wird sie schmoren lassen und zur Vernunft bringen“, dachte ich mir.
Doch während dieser Pause konnte ich endlich darüber nachdenken, was mein eigener Anteil an der Eskalation gewesen war. Und ich stellte mir die Fragen:
- Was ist mir die Beziehung zu meiner Partnerin wirklich wert?
- Bin ich zu sehr auf diese negative Erfahrung fokussiert?
- Verstelle ich mir dadurch den Blick auf ihre wunderbare Seite?
- Kann ich sie trotz oder vielleicht sogar wegen ihrer Schwächen lieben?
- Ich wünschte mir ja auch keinen Engel, da wäre ich skeptisch.
Also bei aller Emotionalität war ich doch schon wieder realistisch.
Seien wir ehrlich, konnte jemand diesen Machtkampf wirklich gewinnen?
Nein! Der Machtkampf würde sich fortsetzen.
Folge? Die Beziehung würde zunehmend gefährdet, das Vertrauen schwindet. Eine schreckliche Vorstellung!
Ein weiteres Hindernis war mein Stolz. Ich kannte das noch von früher, von meinen Eltern. Keiner wollte den ersten Schritt auf den anderen zugehen. Jeder zog sich in seinem Beleidigt-Sein zurück, war sprachlos, und die Wunde eiterte weiter. Und hinterher wurde es nicht angesprochen, also auch nicht gelöst.
Auf uns bezogen, mit „Nein, du hast angefangen“ oder „Nein, du hast mich zu sehr verletzt“, kommen wir auf Dauer nicht weiter. Das sind Kindereien, die wir als Erwachsene überwinden müssten. Wie wäre es mit „Sich und dem anderen verzeihen“?
Ich dachte, ich spiele mit ihr ein Spiel von Beziehungsmikado: Wer sich zuerst dem anderen wieder zuwendet, hätte in diesem Spiel verloren. Also auch eine Form des Machtkampfes.
Und dann geschah das Überraschende: Während ich noch gefangen in meinen Gedanken hin- und herkreiste, erhielt ich eine Nachricht von ihr. Mit vielen schönen und liebevollen Worten zeigte sie mir, wie wertvoll ich ihr trotz des Streites war. Sie wollte mit mir zusammen ein Fest feiern, das eigentlich wegen des Streites abgesagt worden war.
Sie hatte erkannt, dass wir einen pubertären Machtkampf ausgetragen hatten, der uns als Erwachsenen nicht würdig war. Keiner wollte zuerst nachgeben, keiner die Vorwürfe des anderen ungekontert stehen lassen, jeder holte aus der Mottenkiste seiner bisherigen negativen Erfahrungen die spitzesten und sarkastischsten Bemerkungen heraus. Gelernt ist ja immerhin gelernt.
Wie fühlte sich das an…
… als sie sich wieder mit liebevollen Worten mir näherte und ihre Wertschätzung mir gegenüber zeigte?
Ich war total erleichtert und auch beschämt, dass ich nicht den ersten Schritt auf sie zu gemacht hatte. Sie hatte praktisch wahre charakterliche Größe gezeigt.
Es war ein Moment der Freude. Ich spürte eine noch tiefere Verbundenheit mit ihr, meine Zuneigung war intensiver als zuvor. Es gab mir Vertrauen, dass wir solche großen Schwierigkeiten gemeinsam überwinden konnten. Das sagte ich ihr auch.
Wir vermieden bewusst weitere erklärende Worte, um diese Verbundenheit nicht zu stören. Im Gegenteil, wir wollten den Moment einfach nonverbal genießen. Wir verstanden uns auf einmal plötzlich wortlos.
Ich weiß es nicht, ob wir in Zukunft Konflikten aus dem Weg gehen können. Aber Ich weiß mit Sicherheit, dass wir mit Konflikten ganz erfahren und erfahrener umgehen können.
Unsere gemeinsame Entscheidung: regelmäßige Treffen zum Paar-Rat .
Ich verwies meine Partnerin auf den Blog-Artikel von Soheilas Paar-Rat , den ich zufällig im September entdeckt hatte. In diesem Artikel hatte Soheila hervorragend zusammengefasst, welch sinnvolles Instrument dieser sein kann.
Viele der eben angesprochenen potenziellen Probleme können in einer ruhigen und unbelasteten Atmosphäre sehr wirksam besprochen werden. Die emotionalen Ausbrüche lassen sich im Vorfeld zwar nicht ganz beseitigen – das wäre vermessen –, aber sie können reduziert werden.
Manche Explosionen entstehen ja auch erst dadurch, dass Konflikte nicht angesprochen und gelöst werden. Sie häufen sich so sehr an, dass einer der Partner regelrecht explodiert.
„Bitte nicht so! Das muss nicht sein.“
In Liebe
Der Erfahrene 🙂
Soheila:
Beziehungsprobleme wird es immer wieder geben, denn zwei Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, Lebenserfahrungen und Lebensgeschichten finden zueinander.
Probleme sind Aufgaben des Lebens. An ihnen können wir wachsen.
Konflikte hin und her – keine Angst davor! Konfliktvermeidung ist gleichbedeutend mit Kontaktvermeidung!
Was Partner brauchen, ist eine Streitkultur. Sie dürfen nie vergessen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar, egal ob es dein Partner, deine Partnerin oder dein Kind ist…“
Eine meiner persischen Lieblings-Metapher:
„Wenn der Faden zerrissen ist und er wieder geknotet wird, kommen sich beide Enden (Spitzen des Fadens) näher.“ Persisch